Steffen Thater, Anette Müller-Spreitz und Sven Pabstmann bei der Begutachtung einer Menora

Die Herkunft der Dinge - Woher kommen die Objekte in der Sammlung?

Stadtmuseum | 29.09.2022 Hinter den Kulissen

Mit Provenienzforscher Sven Pabstmann in der Sammlung des Stadtmuseums Halle

von Bianca Kriesten

Erinnern Sie sich noch an den Fall Gurlitt? Damals wurden bei dem Sohn eines ehemaligen Kunsthistorikers Tausende an sowohl verschollenen als auch unbekannten Werken teils berühmter Maler wie Liebermann, Dix und Picasso entdeckt. Doch woher kamen die Gemälde und wer waren ihre ursprünglichen Besitzer?

Mit dieser Frage beschäftigt sich die Provenienzforschung, bei der die Herkunft von Kunst- und Sammelobjekten nachverfolgt und der Verlauf ihrer Besitzer versucht wird nachzuvollziehen. Besonders mit Hinblick auf die deutsche Geschichte können hier Unrechtbesitze aufgedeckt werden.

Am 26. September 2022 trafen sich Steffen Thater, Sammlungsdokumentar des Stadtmuseums Halle, Dr. Annette Müller-Spreitz des Museumsverbands Sachsen Anhalt und Provenienzforscher und Kunsthistoriker Sven Pabstmann, um die Ergebnisse des Erstchecks zu der Herkunft einiger Objekte in der Sammlung des Stadtmuseums vorzustellen. Seit 2019 wird Provenienzforschung durch den Museumsverband Sachsen-Anhalt mit dem Programm "Erstcheck" durchgeführt. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf NS-Raubgut. So unterzog sich auch das Stadtmuseum Halle im Herbst 2021 einer stichprobenartigen Kontrolle seiner Werke. Besonders Objekte mit etwa verdächtigen Eintragungen oder fehlenden Nachweisen über die Herkunft wurden unter die Lupe genommen. Im Falle des Stadtmuseums waren dies etwa Judaica, wie rituelle und sakrale Gegenstände des Judentums auch genannt werden, Grafiken und Malereien. Die Objekte werden physisch auf Spuren von Vorbesitzern und Herstellern überprüft – die sogenannte Autopsie – und ihre mögliche Herkunft in Archiven recherchiert.

Besamimdosen

Die Besamimbüchsen, Gewürzbehälter des Judentums, werden um Mitte des 19. Jahrhunderts datiert. Wenn auch vom Stadtmuseum rechtmäßig im Antiquitätenhandel erworben, sind die Vorbesitzer nicht lückenlos klärbar. Bild: Kriesten

Gemälde des Roten Turms und Marktes

Dieses Gemälde wurde als "Nebenfang" bei der Suche nach NS-Raubgut entdeckt. Laut Inschrift auf der Rückseite wurde es infolge einer Republikflucht beschlagnahmt. Bild: Kriesten

Zeichnung von Fischer

Auch diese Zeichnung des Künstlers Otto Fischer-Lamberg wurde untersucht. Ihre Herkunft bleibt jedoch weiterhin offen. Bild: Kriesten

Inwieweit ein Museum eventuelle Raubkunst oder unrechtmäßig Objekte in seinem Besitzt hat, hängt auch von der Geschichte des Hauses ab. Das Stadtmuseum wurde erst 1954 als Heimatmuseum der Stadt Halle gegründet. Die heutige Sammlung von Objekten vor dieser 1954 speist sich aus den Sammlungen anderer halleschen Museen, wie beispielsweise dem Händelhaus, dem Kunstmuseum Moritzburg und dem Museum für Vorgeschichte.  "Verdachtsmomente auf NS-Raubgut kann es auch dann geben, wenn Objekte erst nach 1945 in die Sammlung gelangt sind“, so Pabstmann. Somit kann allein aufgrund einer Gründung des Stadtmuseums nach der NS-Zeit nicht davon ausgegangen werden, dass alle Objekte rechtmäßig erworben wurden sind.

Nach Abschluss eines Erstchecks zeigt sich, ob es vermehrt Verdachtsfälle im Inventar gibt und weiterer Forschungsbedarf besteht. Provenienzforscher Sven Pabstmann stieß im Depot des Stadtmuseums nicht auf eindeutige Verdachtsfälle hinsichtlich NS-Raubguts. Dennoch kann nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass Vorbesitzer rechtmäßig an die Objekte gekommen sind. Durch die lückenhafte Dokumentation ist es zumeist schwer, bis zu dem Ursprung eines Objekts vorzudringen. Somit ist nur sicher, dass das Museum selbst keine Objekte unrechtmäßig erworben hat. Die weitere Vergangenheit bleibt in vielen Fällen unklar.

Nach der Erstprüfung durch Pabstmann soll es vorerst keine weitere Tiefenprüfung der Sammlung des Stadtmuseums erfolgen. „Das wäre bei unseren weit über insgesamt 120.000 Objekten gar nicht möglich“, meint Sammlungsleiterin Petra Selbmann. Dennoch soll das Wissen des Erstchecks Anwendung finden und zukünftig erworbene Objekte mit Sensibilität betrachtet werden.

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