Gespräche statt Gewalt - Der Runde Tisch in Halle 1989/90
„Keine Gewalt!“ – die Schärpe mit dem Aufruf liegt auf dem Tisch in der Ausstellung „Streit, Zoff und Beef“. Um den Tisch sitzen Menschen in Form von Silhouetten. Diese Ausstellungsobjekte erinnern an die „Runden Tische“ in Halle zu Friedlichen Revolution 1989/90 – einem Gesprächsformat in Zeiten des Umbruchs.
In einem Gesprächsabend im Stadtmuseum erzählte Mitinitiatorin Christel Riemann-Hanewinckel, dass die Runden Tische ein Instrument waren, Lokalpolitik weiterzuführen, als ein Machtvakuum entstanden war. Engagierte Menschen aus verschiedenen Initiativen, Organisationen, Parteien und der Stadtgesellschaft kamen zusammen. DDR-Strukturen wie die Stadtverordnetenversammlung und der Rat der Stadt waren in ihrer Form von der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert und kaum noch arbeitsfähig.
Die Runden Tische wurden wöchentlich von Dezember1989 und bis zu den ersten demokratischen Kommunalwahlen im Mai 1990 durchgeführt. Sie hatten ausschließlich beratende Funktion, denn sie waren nicht durch eine Wahl legitimiert. Kooperativ zeigte sich der Oberbürgermeister Eckhard Pratsch, der bis Mai 1990 im Amt blieb und Vorschläge aus den Runden Tischen zur Umsetzung brachte.
Die studierte Theologin Riemann-Hanewinkel hatte das demokratische Handwerkszeug in der Kirchenarbeit gelernt. „Das war hilfreich, denn wir wussten erst nicht, wie das geht“ sagte Schriftsteller Winfried Völlger, der damals auch dabei war. In seinen Augen haben die Runden Tische einen aktuellen Nachfolger: Die Bürgerräte, in denen sich durch Losverfahren ausgewählte Menschen zu festgelegten Themen beraten und Handlungsempfehlungen an die Politik aussprechen.
Den Runden Tischen waren die Demonstrationen im Herbst 1989 vorangegangen. Dass die als „Friedliche Revolution“ bezeichnete Protestbewegung nicht immer friedlich war, zeigten die Polizeieinsätze um die Andacht in und vor der Marktkirche am 9. Oktober in Halle. Die Uniformierten prügelten auf die Anwesenden ein und verhafteten zwischen 100 und 200 Personen. Damit brachten sie die Protestbewegung in Halle ins Rollen: Am 10. Oktober wurden in der Georgenkirche Mahnwachen eingerichtet. Angehörigen von Verhafteten wurden beraten. Über eine eilig im Linoldruckverfahren vervielfältigte Telefonnummer konnten sie sich Unterstützung holen.
Schärpen mit dem handgemalten Schriftzug „Keine Gewalt!“ wurden bei den folgenden Montagsdemos getragen. Sie richteten sich nicht nur an die Uniformierten, sondern auch an die Demonstrierenden selbst. „Es gab Situationen, da mussten die DDR-Politiker vor den wütenden Demonstrierenden geschützt werden“, sagte Riemann Hanewinckel, die damals beherzt eingriff.
Wie brenzlig die Situation damals war, kann man am Runden Tisch in der Ausstellung anhören, wo Riemann Hanewinckel, Völlger und Torsten Hahnel zu Wort kommen.
„Es darf nicht sein, dass die Gewaltkarte gezogen wird, sobald die eigenen Ziele beim Streiten nicht erreicht werden“ meinte Völlger.
In diesem Sinne ist auch die Ausstellung „Streit, Zoff & Beef“ zu verstehen, die noch bis 23. Juni 2024 im Stadtmuseum zu sehen ist.