Harald Kegler und die Stadtwende
Stadtplaner Prof. Dr. Harald Kegler zur Sonderausstellung "Stadtwende Halle" und über Besonderheiten und Perspektiven in Halles Stadtentwicklung.
Prof. Dr. Harald Kegler ist einer der Kuratoren unserer Ausstellung „Stadtwende HALLE“, die noch bis zum 8. Januar 2023 im Stadtmuseum zu sehen ist. Der Diplom-Ingenieur für Stadtplanung lehrt an der Universität Kassel im Fachbereich Architektur und ist ein Experte für nachhaltige, resiliente Stadtentwicklung. Matthias Golinski unterhielt sich mit ihm über die Ausstellung und die zukünftigen Herausforderungen an unsere Stadt.
Herr Prof. Kegler, wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Halle?
Die Ausstellung ist Teil eines 2019 gestarteten Forschungsprojektes, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wurde. Die Universität Kassel, die ich vertrete, ist neben der Bauhausuniversität Weimar und weiteren Forschungseinrichtungen an diesem Projekt beteiligt. Ein Teil der Forschungsergebnisse wird in Form einer Wanderausstellung präsentiert und wir haben von Beginn an Halle als Standort für eine Ausstellung ausgewählt.
Warum wurde Halle an der Saale als Standort ausgewählt?
In Halle kommen sehr viele Momente zusammen, die sehr typisch sind für die DDR-Stadtentwicklung als auch für die Transformation in und nach der Wende sowie bis heute. Zudem stand uns in Halle eine Fülle an speziellem und hochinteressantem Ausstellungsmaterial zur Verfügung, sodass wir beschlossen, in Halle nicht die eigentliche Wanderausstellung zu zeigen, sondern für diesen Standort eine eigene Ausstellung zu entwickeln. Dafür hat neben dem Forschungsministerium auch die Stadt Halle noch zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. So konnten wir schließlich die Ausstellung „Stadtwende Halle“ umsetzen, bei der ich als Kurator zusammen mit Cornelia Zimmermann vom Stadtmuseum tätig sein durfte. Besonders toll war es, dass wir zu dieser Ausstellung auch einen umfangreichen Katalog produzieren konnten.
Was ist das Besondere an der Stadtentwicklung von Halle?
Halle hat ja eine Besonderheit: Die Stadt wurde im Krieg nicht zerstört. In den 60er Jahren wurde sie durch den Bau von Halle Neustadt schließlich zu einer Vorzeigestadt der DDR. Dementsprechend wurde auch die Innenstadt mit einem Flächenabriss umgestaltet: Es entstand die Hochstraße, das Projekt „Schülershof“ und das Lichthaus, welches für die Zeitverhältnisse eine anspruchsvolle Plattenbauarchitektur aufwies. Es kam dann aber zu einem Konzeptwechsel: Schrittweise wurde eine Modifikation des Plattenbausystems vorgenommen, hin zu einer größeren Stadtverträglichkeit. Man richtete sich nun mehr nach dem Stadtgrundriss und passte sich architektonisch der vorhandenen Altstadt an. Wir sehen in Halle also mit dem „Schülershof“ einen dem Abriss geschuldeten kompletten Neubau, aber mit „Brunos Warte“ und den Neubauten am Dom sowie den Lückenschließungen am Alten Markt wiederum eine angepasste Neubauarchitektur. Diese Abfolge und dieses Nebeneinander verschiedener Baustile auf engem Raum, das ist etwas absolut Besonderes. Man sieht sozusagen einen Lernprozess, der vom Abriss ausging und hin zu einer stadtverträglichen Stadtbauarchitektur führte.
Welche Rolle spielte bei dieser Transformation der Arbeitskreis Innenstadt?
Die Bürgerinitiativen, insbesondere der Arbeitskreis Innenstadt, haben sich bei der Umgestaltung der Stadt stark engagiert und zur Rettung verschiedenster vom Abriss bedrohter Gebäude beigetragen. Der hallesche Arbeitskreis Innenstadt, der bis heute existiert, war der erste seiner Art in der DDR und beschäftigte sich bereits 1983 mit dem Thema Stadterneuerung.
Welche Herausforderungen sehen sie aktuell und zukünftig für unsere Stadt hinsichtlich ihrer Transformation?
Wir blicken ja in der Ausstellung nicht nur zurück, sondern geben auch einen Ausblick. Wir haben für die Stadtwende-Ausstellung Projekte mit Studierenden der Universität Kassel in Zusammenarbeit mit der Stadtplanung von Halle durchgeführt, um zu zeigen, dass die nächste große Herausforderung an eine Stadtwende der klimagerechte Umbau unserer Städte ist. Wir knüpfen damit auch an die Ausstellung von 1983 an, in welcher ja die Umweltthemen stark benannt waren. Wir haben dann mit der Idee zu „Klimatopia“ Vorschläge unterbreitet, wie eine Anpassung der Stadt an die Herausforderungen des Klimawandels erfolgen könnte.
Wie sähe denn eine Stadt der Zukunft aus?
In Halle wurde ja bereits seit den 60er versucht, eine Stadt der Zukunft zu kreieren. Damals noch im Sinne der Moderne, womit Halle damals eine international beachtete Position eingenommen hatte. Meiner Meinung nach hat sich Halle mit einigen aktuellen Vorhaben sehr konsequent auf den Weg der Klimaanpassung begeben. Wir haben bereits einen Klimaatlas erstellt und verschiedene Forschungsprojekte zu diesem Thema auf den Weg gebracht, um den Wandel auch möglichst sozial gerecht zu gestalten.
Was sind denn die konkreten Herausforderungen für unsere Stadt?
Das ist natürlich ein komplexes Thema. Einerseits wäre da das Problem der Überhitzung des Marktplatzes im Sommer. Die Hochwasserthematik ist in Halle aktueller denn je und auch das Thema Mobilität und die bisherige starke Auto-Orientierung muss umgedacht werden. Und wie gehen wir mit der bestehenden Bausubstanz um? Das alles sind gewaltige Herausforderungen an die Stadt. Halle hat sich da aber sehr deutlich positioniert, viel deutlicher als andere Städte übrigens. Unter anderem auch mit der Bewerbung zum „Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“.
Was hat das Zukunftszentrum für eine Aufgabe?
Das Zukunftszentrum ist ja nicht nur ein Rückblick auf die Deutsche Einheit, sondern auch ein Diskussionsforum für die Fragen des heutigen Stadt- und Gesellschaftsumbaus angesichts klimatischer Herausforderungen und hinsichtlich der Energie- und Verkehrsproblematik.
Herr Kegler, was wünschen sie sich für Halle auf dem Weg der Transformation?
Die Stadtwende-Ausstellung erfreut sich eines sehr großen Interesses bei der Bevölkerung, sie wurde ja deswegen verlängert. Auch der tolle Katalog zur Ausstellung ist bereits vergriffen und geht jetzt in die zweite Auflage. Ich würde mir wünschen, dass das, was in der Ausstellung gezeigt wurde, vielleicht an anderer Stelle weitergeführt werden könnte. Es gibt ein reges Interesse an den Themen, aber keinen Ort, an dem diese Themen sichtbar gemacht werden und für die Öffentlichkeit diskutierbar sind. Ein Bürgerforum für die Stadtwende wäre von daher sehr wünschenswert, um über neuere Planungen und Konzepte mit der Bevölkerung im Austausch zu bleiben. Nur so kann die Transformation gelingen.
Herr Kegler, vielen Dank für das Gespräch!